Neues Großprojekt in der Kurstadt: Das Uhrenturmgradierwerk (Hintergrund) wird zum reinigenden „Opfergradierwerk. Regierungspräsidentin Anna Katharina Bölling (links) übergab den Förderbescheid an Bürgermeister Dirk Tolkemitt., © Stadt Bad Salzufen

Neu­es Bau­pro­jekt in Bad Salz­uflen

Uhrenturmgradierwerk „opfert“ sich für technische Innovation

Bad Salzuflen (12.03.2025)

Die bekanntesten Wahrzeichen von Bad Salzuflen sind neben dem Leopoldsprudel mit seinem Brunnentempel vor allem die mondänen Gradierwerke als große Freiluftinhalatorien am Übergang der Salzestadt zum Kurpark – bestehend aus Erlebnisgradierwerk, Gradierwerk am Schliepsteiner Tor und Uhrenturmgradierwerk. Dafür rieseln über die Schwarzdorn-Äste der imposanten „Frischluft“-Bauwerke täglich bis zu 600.000 Liter Sole aus drei hiesigen Quellen, zerstäuben zu feinstem Nebel und bieten mit ihren Mikropartikeln an Aerosolen ein meeresähnliches Klima.

Jedoch hat die Zerstäubung der Sole aufgrund ihrer Inhaltsstoffe wie Kalk, Gips, Eisen und Mangan, im Laufe der Jahre nachgelassen, so dass diese Stoffe zur einer „Versinterung“ (Ablagerungen) auf dem Schwarzdorn führen. Daher muss das zu Reisigbündeln verfüllte Solitärgewächs an den Holzgerüsten der Gradierwerke mit einer Gesamtfläche von rund 5000 Quadratmetern etwa alle sieben bis zehn Jahre ausgetauscht werden. In der jüngeren Vergangenheit sogar häufiger, da die drei Inhalatorien mittlerweile nahezu ganzjährig betrieben werden.

Projektgenanntes „Reinigungsgradierwerk“ ist bundesweit einmaligIm Sommer des vergangenen Jahres hatte die Stadtverwaltung es sich zur Aufgabe gemacht, nach einer Möglichkeit zu suchen, die zunehmend verkürzenden Wechselintervalle des Schwarzdorns erheblich zu minimieren und langfristig die steigenden Kosten deutlich zu reduzieren. Mit Erfolg. „Der Schlüssel ist, die Ablagerungen an den Gewächsästen auf das ‚kleinste‘ Gradierwerk zu konzentrieren, sodass es sich quasi ‚opfert’, um damit die beiden größeren Gradierwerke zu entlasten“, erklärte Bürgermeister Dirk Tolkemitt.

Die nachhaltige und umweltschonende Technik zur Schaffung eines „Reinigungsgradierwerks“ wird „bundesweit einmalig sein“, ergänzte Bad Salzuflens Stadtoberhaupt. „Damit werden wir eine Vorreiterrolle beim Betrieb von Gradierwerken einnehmen.“ Für eine zeitnahe Umsetzung wird das Uhrenturmgradierwerk bereits in den kommenden Monaten abgebaut und in der Folgezeit durch das projektgenannte „Opfergradierwerk“ ersetzt.

Regierungspräsidentin Anna Katharina Bölling: „Gradierwerke sind wichtiger Indikator“
Die Investitionssumme für das innovative Großprojekt beläuft sich auf etwa 7,9 Millionen Euro, wofür die Stadtverwaltung in dieser Woche eine anteilige Förderung des Landes Nordrhein-Westfalen in Höhe von rund 3,4 Millionen Euro erhielt. Regierungspräsidentin Anna Katharina Bölling besuchte die Kurstadt und übergab Tolkemitt den Förderbescheid persönlich. „Die Gradierwerke sind für die Stadt Bad Salzuflen historisch bedeutsame und erhaltenswerte außergewöhnliche Bauwerke“, betonte Bölling bei der Übergabe.

Neben den baulichen Kosten sind zusätzlich weitere 3,5 Millionen Euro veranschlagt für den noch anstehenden und „heutzutage sehr kostenintensiven Austausch von Schwarzdorn“, so Bürgermeister Tolkemitt, wobei diese Maßnahme nicht über den Förderbescheid abgedeckt ist. Vor einigen Jahren waren es etwa 200 Euro, aktuell ist der Quadratmeterpreis mehr als drei Mal so hoch. „Die Gradierwerke sind ein wichtiger Indikator und verbessern die wirtschaftliche, gesundheitliche und touristische Ausgangslage auch in der Zukunft, um den Tourismusstandort zu stärken und weiter auszubauen“, sagt Anna Katharina Bölling abschließend.

Geplant ist der Start der baulichen Maßnahme für Mitte dieses Jahres. „Der genaue zeitliche Ablauf ist derzeit in Planungen“, versucht Oliver Müterhies, Technischer Betriebsleiter Eigenbetriebsähnliche Einrichtung Gebäudewirtschaft (EGW) der Stadt Bad Salzuflen, mögliche Einschränkungen für Anwohnende, Gastgebende und Gäste so gering wie möglich zu halten. „Sobald wir Planungssicherheit haben, werden wir entsprechende Infos zur baulichen Umsetzung zeitnah weitergeben“, bittet Müterthies um Verständnis.

Erhöhung des Salzgehaltes hat Doppeleffekt zur Folge
Nach Fertigstellung des neuen „Reinigungsgradierwerks“ wird ein großes Becken mit mehreren Reinigungsstufen untergebaut sein. Hierbei wird die Sole von Stufe zu Stufe aufbereitet bzw. gereinigt und für die Verrieselung bei den anderen Gradierwerken optimiert. „Dabei wird zugleich der Salzgehalt signifikant erhöht“, sagt Müterthies weiter. „Mit positiven Auswirkungen, da sich der gesundheitliche Effekt weiter verbessern und die Holzkonstruktion der Gradierwerke länger geschützt wird.“

Überdies werden beim Neubau auch die Aspekte Nachhaltigkeit und Klimafreundlichkeit berücksichtigt, da dauerhaft weniger Schwarzdorn benötigt wird sowie keine chemischen Produkte für die Soleaufbereitung. Zudem soll die spätere Überdachung mit einer Photovoltaik-Anlage ausgestattet werden, die den Strom für den Betrieb des Gradierwerkes liefert.

Info zum Uhrenturmgradierwerk
Der historische Uhrenturm ist ein Relikt eines alten Gradierwerkes, das vor fast 260 Jahren für die Salzproduktion errichtet und 1770 in Betrieb genommen wurde. Im Jahr 2013 wurden Wandelgang, Sonnendeck und Sole-Kneipp-Armbecken des 55 Meter langen und rund 8,50 Meter hohen Bauwerks neu gebaut, wobei der Uhrenturm die Anlage nochmals um rund sechs Meter überragt.