Richtlinien der Stadt Bad Salzuflen über Sozialpädagogisch Betreutes Wohnen (SBW) gem. §§ 34, 41 Kinder-und Jugendhilfegesetz (KJHG)
I. Konzeption
1. Definition
2. Rechtsgrundlagen
3. Personenkreis
3.1 Indikation
3.2 Notwendige Voraussetzungen der Jugendlichen
4. Methodischer Ansatz
4.1 Betreuungsaufwand
5. Ziele der Maßnahme
6. Personelle Voraussetzungen
II. Festsetzung der vom Stadtjugendamt direkt erbrachten finanziellen Leistungen gemäß §§ 34 und 41 KJHG:
1. Leistungen zum Lebensunterhalt für Hilfeempfänger/innen
1.1 Bedarf
1.2 Sonstige Sozialleistungen
1.3 Kostenbeitrag
2. Einzelleistungen gem. § 39 Abs. 3 KJHG bei SBW
2.1 Grundausstattungsbeihilfe
2.2 Renovierungskosten
2.3 Maklergebühren und Kautionen
2.4 Schulische Veranstaltungen, Lernmittel
2.5 Urlaubsbeihilfe
2.6 Nachhilfeunterricht
2.7 Berufsausbildung
2.8 Haftpflichtversicherung
2.9 Weihnachtsbeihilfe
2.10 Führerscheinbeihilfe
2.11 Sonderleistungen
3. Verfahrensregelung
4. Inkrafttreten
I. Konzeption
1. Definition
Sozialpädagogisch Betreutes Wohnen ist eine ambulante Jugendhilfemaßnahme außerhalb der Familie. Aufgabe des SBW ist es, junge Menschen, die den Anforderungen eines eigenständigen Lebens nicht gewachsen sind, zu befähigen, ihr Leben selbständig und eigenverantwortlich zu führen. Hierbei erhalten die Jugendlichen und jungen Erwachsenen eine entsprechende Anleitung, Betreuung und Begleitung durch eine Fachkraft. Schwerpunkt der Arbeit ist also die Hilfestellung bei der Verselbständigung und der Persönlichkeitsentwicklung.
Diese Hilfen sollen innerhalb eines angemessenen zeitlichen Rahmens, ausgehend von dem jeweiligen individuellen Entwicklungsstand des Jugendlichen/jungen Erwachsenen, erfolgen.
Planung, Strukturierung und Überprüfung des Betreuungsangebotes erfolgen auf der Grundlage der Hilfeplanung nach § 36 KJHG. Auf dieser Grundlage erfolgt im Einvernehmen mit dem/der Betroffenen auch die Entscheidung des Jugendamtes, ob Sozialpädagogisch Betreutes Wohnen angezeigt ist.
Im Rahmen der Hilfeplanung werden mit allen Beteiligten die notwendigen Hilfen und die individuellen Ziele entwickelt. Die Überprüfung und Fortschreibung der Hilfeplanung erfolgt regelmäßig mindestens alle 6 Monate.
2. Rechtsgrundlagen
Bei Minderjährigen müssen die/der Personensorgeberechtigte/n einen Antrag auf Hilfegewährung nach §§ 27/34, KJHG stellen. Junge Volljährige müssen nach § 41 KJHG selbst die Hilfe im Jugendamt beantragen.
3. Personenkreis
3.1 Indikation
Für das Hilfsangebot Sozialpädagogisch Betreutes Wohnen sollen folgende Jugendliche/junge Erwachsene in Betracht kommen:
- Jugendliche und junge Erwachsene, für deren Entwicklung ein weiterer Verbleib in der Familie als nicht förderlich oder gar als hinderlich bzw. hemmend anzusehen ist, das Leben in einem Heim oder einer Wohngruppe aber nicht angezeigt erscheint. D. h., bei den Jugendlichen/jungen Erwachsenen ist ein relativ hoher Selbständigkeitsanspruch mit entsprechendem individuellen Bedarf vorhanden. Bei den Jugendlichen/jungen Erwachsenen kann von mehr oder weniger erheblichen sozialen und/oder psychischen Problemen ausgegangen werden, die eine entsprechende Betreuungs- und Beratungstätigkeit erfordern.
- Jugendliche und junge Erwachsene, die außerhalb Bad Salzuflens in Heimerziehung untergebracht waren und hierhin zurückkommen und bei denen ein weiteres Zusammenleben in einer Gruppe nicht erforderlich erscheint, die nicht gruppenfähig sind und/oder für die kein stabiler familiärer Zusammenhang existiert.
3.2 Notwendige Voraussetzungen der Jugendlichen
Der/Die Jugendliche muß bestimmte Voraussetzungen erfüllen, um in das Sozialpädagogisch Betreute Wohnen aufgenommen zu werden:
Im einzelnen sollen die betroffenen Personen
- das Hilfsangebot auf der Grundlage der Freiwilligkeit wahrnehmen, d. h., eine Mitwirkungsbereitschaft der Jugendlichen und ihrer gesetzlichen Vertreter muß vorhanden sein,
- ein entsprechendes Maß an Verläßlichkeit, Kooperationsbereitschaft und grundlegende soziale Fähigkeiten und Fertigkeiten besitzen,
- über Grundlagen zur Erweiterung lebenspraktischer Kenntnisse und Fertigkeiten für ein späteres selbständiges Leben verfügen,
- bereit sein, an Perspektiven für die Zukunft zu arbeiten.
4. Methodischer Ansatz
Die Jugendlichen sollen befähigt werden, ihre Angelegenheiten eigenverantwortlich mit Hilfe der Fachkräfte zu regeln.
Es findet eine regelmäßige, auf den individuellen Betreuungsbedarf abgestimmte Begleitung, Beratung und Anleitung der Jugendlichen/jungen Erwachsenen statt. Die Betreuung vollzieht sich primär einzelfallbezogen und berücksichtigt die aus der neuen Situation entstehenden Problemstellungen (Einsamkeit, Behördengänge, Null-Bock-Phase, Ärger mit Vermietern ...). Dabei finden das soziale Umfeld (Vereine, Peer-Group etc.) sowie die gewachsenen sozialen Bezüge (Familie etc.) angemessene Berücksichtigung. Ergänzend werden Gruppentreffen und Freizeitaktivitäten angeboten.
4.1 Betreuungsaufwand
Einen wichtigen Aspekt der Betreuung stellt die zeitliche Intensität dar, die je nach Bedarf bis zu 6 Stunden pro Woche und darüber hinaus umfassen kann. Die Intensität der Betreuung nimmt im Sinne der Verselbständigung im Verlauf der Maßnahme ständig ab, bis der Jugendliche/junge Erwachsene ganz ohne fremde Hilfe auskommen kann. Eine Orientierung an überschaubaren Entwicklungsschritten vermeidet eine Überforderung und ermöglicht dem Betroffenen Erfolgserlebnisse. Diese werden im Rahmen der Hilfeplanung schriftlich für alle fixiert.
Die Gesamtdauer einer Maßnahme liegt im Normalfall nicht unter 6 Monaten und kann bei entsprechendem Bedarf bis zu drei Jahre dauern.
5. Ziele der Maßnahme
Zu den konkreten Betreuungsinhalten/Zielen gehören:
- neue Problemlösungsstrategien entwickeln, d. h. auch Hilfen suchen und annehmen
- Vermittlung lebenspraktischer Kenntnisse und Fertigkeiten zur eigenen Haushalts- und Lebensführung (Organisation des Haushaltes)
- Gestaltung des Tagesablaufs und der Freizeit
- Beratung und Betreuung in Lern- und Arbeitszusammenhängen wie Schule und Arbeitsplatz
- Hilfen bei Beziehungsproblemen mit Eltern, Freundeskreis und Partnerschaft und bei Aufbau und Bewältigung sozialer Kontakte allgemein
- Orientierung beim Umgang mit Behörden, Einrichtungen, kaufmännischen Gepflogenheiten und Vertragsformen
- Begleitung bei der Entwicklung und Stabilisierung der persönlichen Reife bzw. der Persönlichkeit
- Hinführen zum Entwickeln von Eigeninitiative und Erlangen von Selbständigkeit und Eigenverantwortlichkeit
- Erlernen neuer Konfliktlösungsmöglichkeiten.
6. Personelle Voraussetzungen
Im SBW arbeiten diplomierte sozialpädagogische Fachkräfte. Aufgrund der besonderen Problemlage im SBW sollte ein/e Mitarbeiter/in nicht mehr als 4-6 Jugendliche/junge Erwachsene betreuen und beraten (vgl. dazu Empfehlungen des Landesjugendamtes und der Arbeitsgemeinschaft für Erziehungshilfe e. V.).
Die Fachkräfte müssen flexibel auf den Betreuungsbedarf reagieren können. Sie sind Ansprechpartner für die jungen Menschen. Sie geben Entscheidungshilfen und Hilfestellung in Krisensituationen etc. Die Vielfältigkeit der Aufgaben verlangt von den Fachkräften, außerhalb der regulären Dienstzeiten unterwegs bzw. erreichbar zu sein. Es sind in diesem Zusammenhang auch flexible Dienstzeitregelungen erforderlich.
II. Festsetzung der vom Stadtjugendamt direkt erbrachten finanziellen Leistungen gemäß §§ 34 und 41 KJHG:
1. Leistungen zum Lebensunterhalt für Hilfeempfänger/innen
1.1 Bedarf
135 % der materiellen Aufwendungen der 3. Altersstufe auf der Basis der vom zuständigen Ministerium in NRW festgesetzten Pauschalbeträge bei Vollzeitpflege. Damit ist der gesamten regelmäßig wiederkehrenden Bedarf einschl. der Kosten der Unterkunft gedeckt.
1.2 Sonstige Sozialleistungen
Sonstige Sozialleistungen, wie z. B. Kindergeld oder Renten, sind zur Deckung des notwendigen Lebensunterhaltes einzusetzen.
1.3 Kostenbeitrag
Der Kostenbeitrag für Hilfeempfänger/innen mit Erwerbseinkommen beträgt in der Regel 60 % des Nettoerwerbseinkommens.
2. Einzelleistungen gem. § 39 Abs. 3 KJHG bei SBW
2.1 Grundausstattungsbeihilfe
Für die Grundausstattung wird in der Regel eine Beihilfe in Höhe von 200 % der materiellen Aufwendungen der 3. Altersstufe auf der Basis der vom zuständigen Ministerium in NRW festgesetzten Pauschalbeträge bei Vollzeitpflege soweit nicht bereits eine gleichartige Leistung gewährt wurde.
2.2 Renovierungskosten
Renovierungskosten werden in angemessenem Umfang übernommen.
2.3 Maklergebühren und Kautionen
Eine anfallende Maklergebühr kann übernommen werden. Eine anfallende Kaution wird als Vorschuss gewährt, der in angemessenen Raten während der Betreuungszeit zurückzuzahlen ist.
Bei Beendigung der Maßnahme kann ein eventueller Restbetrag der Kaution in eine Beihilfe umgewandelt werden.
2.4 Schulische Veranstaltungen, Lernmittel
Die Kosten für mehrtägige schulische Veranstaltungen (Klassenfahrten, Studienfahrten u.ä.) sowie Eigenanteile an dem Lernmittelfreiheitsgesetz werden auf Antrag in Höhe des anfallenden Kostenbeitrages übernommen.
2.5 Urlaubsbeihilfe
Ohne schriftlichen Antrag wird im Juli für Urlaubsreisen, Freizeiten etc. eine Pauschale in Höhe von 80 % der materiellen Aufwendungen der 2. Altersstufe auf der Basis der vom zuständigen Ministerium in NRW festgesetzten Pauschalbeträge bei Vollzeitpflege gewährt, sofern Jugendhilfeleistungen bereits mindestens 6 Monate erbracht werden.
2.6 Nachhilfeunterricht
Die Kosten für Nachhilfeunterricht können übernommen werden, soweit es aus pädagogischen Gründen erforderlich ist. Die Höhe des Honorars und die Dauer des Nachhilfeunterrichts sind nach pflichtgemäßem Ermessen festzusetzen.
2.7 Berufsausbildung
Anlässlich des Beginns der Berufsvorbereitung oder Berufsausbildung wird in der Regel eine Beihilfe in Höhe von 40 % der materiellen Aufwendungen der 3. Altersstufe auf der Basis der vom zuständigen Ministerium in NRW festgesetzten Pauschalbeträge bei Vollzeitpflege gewährt.
2.8 Haftpflichtversicherung
Die Kosten einer angemessenen Haftpflichtversicherung werden übernommen.
2.9 Weihnachtsbeihilfe
Es wird eine Pauschale in Höhe der Festsetzung für Pflegekinder in Vollzeitpflege gemäß § 33 KJHG gewährt.
2.10 Führerscheinbeihilfe
Nach Erwerbs einer Fahrerlaubnis für einen PKW kann eine Pauschale in Höhe von 90 % der materiellen Aufwendungen der 3. Altersstufe auf der Basis der vom zuständigen Ministerium in NRW festgesetzten Pauschalbeträge bei Vollzeitpflege gewährt werden.
2.11 Sonderleistungen
Nach der Besonderheit des Einzelfalles können auf der Grundlage des § 39 KJHG weitergehende Leistungen innerhalb und ausserhalb dieses Leistungskataloges gewährt werden.
3. Verfahrensregelung
Die Gewährung von finanziellen Leistungen setzt in der Regel einen vorherigen schriftlichen Antrag voraus. Ausnahme: Ziffer II/2.5 (Urlaubsbeihilfe)+ 2.7 (Weihnachtsbeihilfe)
4. Inkrafttreten
Diese Richtlinien treten am 01.01.2002 in Kraft. Gleichzeitig verlieren die Richtlinien vom 01.01.1997 ihre Gültigkeit.